Volkskrankheit Rückenschmerzen

Jeder Dritte, der zum Orthopäden geht, und jeder zwölfte, der den Hausarzt aufsucht – Frauen mehr als Männer –, tut dies aufgrund von Rückenschmerzen. Mehr als die Hälfte der Jugendlichen unter 18 Jahren haben bereits mehr oder weniger schmerzhafte Haltungsprobleme.

 

Viele von unspezifischen Rückenschmerzen Geplagte, gehören der vergleichsweise jungen, jedenfalls mitten im Berufsleben stehenden Altersgruppe der 30- bis 50-Jährigen an. Die Behandlung, Rehabilitation und vorzeitige Berentung von Patienten mit chronischen Rückenschmerzen kostet unser Gemeinwesen Jahr für Jahr Milliarden, einschließlich der Kosten für die Arbeitsausfälle.

 

Gestörtes Muskelspiel

Einseitige Belastung bei bewegungsarmer Lebensweise oder eingefahrene (stereotype) Haltungsmuster, Überlastung durch Übergewicht, falsches Training oder Leistungssport. Das sind die mit Abstand führenden Ursachen von Rückenschmerzen. Schwangerschaften und beruflich unvermeidliche Umstände einmal beiseitegelassen, sind die Beschwerden meist eine Folge ständiger Überstrapazierung oder Vernachlässigung des Rückens.

 

Das erklärt sich durch ein wichtiges Prinzip der Muskelarbeit: das Zusammenwirken eines Spielers und Gegenspielers beziehungsweise entsprechender Muskelgruppen. Wenn Kraftakte bestimmte Spieler- oder Gegenspieler-Muskeln überfordern oder Inaktivität sie verkümmern lassen, kommt es zu Verspannungen, Überdehnungen, Verkürzungen und schließlich Schmerzen.

 

Genauer: Vernachlässigte, untrainierte Haltemuskeln in der Tiefe des Rückens verkürzen sich. Verkürzte Muskeln verändern die Mechanik der Gelenke, die Sehnenansätze reagieren mit Reizungen. Unterforderte Bewegungsmuskeln – das sind die oberflächlicher gelegenen Rückenmuskeln – werden geschwächt und bilden sich zurück. Strapazierte Gegenspieler-Muskeln verspannen sich, werden überdehnt, schlechter durchblutet und verhärten sich. Schließlich melden die örtlichen Schmerzrezeptoren Alarm. Nach einer Haltungsschulung und moderaten Trainingstherapie arbeiten die Muskeln meist wieder entspannter, was als angenehm empfunden wird und Schmerzen vermindern oder sogar beseitigen kann.

 

Rückenschmerzen entstehen vor allem durch strapazierte Muskeln und Bänder oder Verschleiß der Wirbelsäule und Bandscheiben. Mit Rückenschmerzen macht fast jeder Bekanntschaft, viele Betroffene zum Glück nur einmal. Meistens sitzt die Pein in der Gegend oberhalb des Gesäßes. Gemeinhin ist dies das Kreuz. Ärzte sprechen hier auch vom tiefen oder lumbalen Rückenschmerz: lumbal bezieht sich auf die Etage der Lendenwirbelsäule. Dabei können die Schmerzen mehr in der Mitte, mehr seitlich oder im ganzen Kreuz verspürt werden. Mitunter strahlen sie auch in die Umgebung aus, zum Beispiel ins Bein, oder sie werden vor allem dort verspürt.

 

Rückenschmerz ist nicht gleich Rückenschmerz

Wichtige Unterschiede ergeben sich aus dem zeitlichen Verlauf der Rückenschmerzen:

  • Akut sind Rückenschmerzen, die erstmals oder nach mindestens sechs schmerzfreien Monaten auftreten und höchstens sechs Wochen anhalten.
  • Subakut ist ein Schmerzzustand zwischen akut und chronisch: der Rückenschmerz plagt Betroffene schon länger als sechs Wochen.
  • Chronisch: Der Rücken schmerzt seit mehr als zwölf Wochen.
  • Der Häufigkeit: Von der einmal auftretenden (akuten) Episode über wiederkehrende Phasen bis zur anhaltenden, chronischen Schmerzkrankheit gibt es bei Rückenschmerzen viele Varianten.
  • Der Ausprägung: Rückenschmerzen können kaum, mäßig oder wechselnd stark spürbar bis geradezu unerträglich sein.

 

Zwei Hauptgruppen, nämlich unspezifische (beziehungsweise nichtspezifische) und spezifische Rückenschmerzen:

Die Mehrzahl der Betroffenen hat unspezifische Rückenschmerzen. Das heißt, ihr Rücken leidet unter verspannten, verkürzten und überdehnten Muskeln, vielleicht auch verhärteten Faszien die Muskeln und andere Gewebe umgeben. Damit verbundene Funktionsstörungen sind eigentlich aber noch keine Krankheit – solange die Diagnose "unspezifisch" zutrifft, keine speziellen Schäden am Rückgrat nachweisbar sind oder keine andere Krankheit mit Bezug zum Rücken oder mit Schmerzausstrahlung in den Rücken vorhanden ist. Bei spezifischen Rückenschmerzen dagegen ist das der Fall. Auslösend können Rückenleiden selbst sowie andere Erkrankungen sein, die den Rücken mit einbeziehen.

 

Die Einteilung in "unspezifisch" (beziehungsweise "nichtspezifisch") und "spezifisch" finden nicht alle Experten immer glücklich. Sie hilft aber, die Vielzahl von Rückenschmerzen etwas zu ordnen, und ist häufig in Gebrauch.

 

Akute Rückenschmerzen: Erste Diagnose

Meist geben das Beschwerdebild des Patienten, seine "Rückengeschichte" und allgemeine Krankengeschichte dem Arzt schon Hinweise, welche Art von Rückenschmerzen vorliegen. Eine gründliche körperliche Untersuchung stützt die Diagnose. Dabei nutzt der Arzt unter anderem bestimmte Bewegungstests, prüft die Kraft und die Muskelsehnenreflexe.

 

Erste Therapie bei akuten Rückenschmerzen

Die gute Nachricht ist, dass man hier selbst viel tun kann, etwa mit mehr Bewegung und ausgleichender Aktivität im Alltag. Allerdings funktioniert Bewegung mitunter doch nicht ohne kurzfristige Einnahme eines traditionellen Schmerzmittels oder ein Wärmepflaster.

 

Hauptproblem: Chronische unspezifische Rückenschmerzen

Mehrheitlich – in über 80% der Fälle – bereiten Muskeln, Faszien, Sehnen, Bänder am Rücken Probleme, akut wie chronisch. Rückenprobleme entstehen häufig durch Überbelastung bei schwerer körperlicher Arbeit oder infolge einseitiger Bewegungsabläufe. Diese können – wie übrigens auch Bewegungsmangel – bestimmte Muskelgruppen unterfordern, sodass es zu Ungleichgewichten am Rücken kommt. Belastend wirkt sich auch starkes Übergewicht aus, Rauchen und überhöhter Alkoholkonsum offenbar ebenfalls.

Außerdem spielen verschiedene Risikofaktoren eine Rolle, auf die der Arzt frühzeitig sein Augenmerk richten wird:

  • Ergonomische Probleme: Ungünstige Einstellung der Geräte am Arbeitsplatz
  • Psychosoziale Faktoren: Konflikte im beruflichen und privaten Umfeld, mangelnde Anerkennung, Überforderung, soziale Unzufriedenheit